3.2.2 Vergleich mit anderen deutschen Städten


Der Abbruch der Dresdner Festungsanlagen fällt mitten in die Hauptentfestigungswelle, die etwa zwischen 1790 und 1825 in Deutschland erfolgte.(47) Einigen Städten, wie z.B. München (ab 1791), Mannheim (ab 1798), Düsseldorf (ab 1801) oder Bremen (ab 1802), gelang es durch günstigere politische Konstellationen breits einige Jahre früher, mit der Schleifung der Fortifikation zu beginnen. (48) Düsseldorf z.B. schmückte einen Teil des neuen Geländes mit einem 82 Meter breiten, doppelten Alleenzug, der späteren Königsallee.
Eine ganze Anzahl von Kommunen konnte durchsetzen, daß das ehemalige Festungsgelände nicht für eine Bebauung freigegeben wurde und stattdessen tatsächlich ein Grüngürtel um den inneren Altstadtkern angelegt werden konnte, wie z.B. in Frankfurt/Main (ab 1812) mit der Taunusanlage oder in Münster (ab 1770) und Hamburg (1820 - 1833) mit seinen großzügigen Promenaden. Andere Beispiele sind Aachen oder Halle.
Die Kombination von Grünanlage und Ringallee, die später zu einem Verkehrsring erweitert wurde, wie Leipzig (1830) oder Köln (1871), war ebenso eine den Erfordernissen der Zeit entsprechende Form.
In Braunschweig dagegen wurden die Wälle ebenfalls parkartig umgestaltet, jedoch mit einem Kranz vornehmer Villen geschmückt und später nicht, wie in Dresden, überbaut.
Allerdings gab es auch Stadtverwaltungen, die sich aus ästhetischen oder finanziellen Gründen nicht entschlossen, die Stadtmauer zu schleifen, wie Nürnberg oder Rothenburg.
Dresden, mit der Mischung aus aufgelockerter, pavillonartiger Bebauung einerseits und schmaler Ringstraße, öffentlichen Grünanlagen und privaten Gärten andererseits, stellte eine mögliche Kompromißlösung dar, zumindest bis zur Überbauung in der Gründerzeit.


3.2.3 Bedeutung des Abbruchs für die weitere Gestaltung der Stadt

Der Abbruch der Dresdner Festungsanlagen kennzeichnet die Abgrenzung mittelalterlicher bzw. frühneu-zeitlicher Stadtstruktur zur neuzeitlich-modernen Stadt. Diese tiefe Zäsur am Beginn des 19. Jahrhunderts stellt für die Entwicklung der barocken Residenz zur offenen Bürger- und Verwaltungsstadt einen markanten Ausgangspunkt dar.
Ein entscheidender Gesichtspunkt, der das Gesicht Dresdens bis heute prägt, ist die Öffnung der Stadt zur Landschaft hin. Bis zur Abtragung der Stadtmauer war Dresden durch den Festungsgürtel straff zusammen-gehalten worden. Nun sprengte die Stadt ihren Rahmen, und die feste Scheidung zwischen Stadt und Umland begann sich aufzulösen.
Die folgende Durchdringung und Durchflechtung von Stadtbild und Landschaft können als eine der wesentlichen städtebaulichen Ereignisse des späten Klassizismus und der Romantik aufgefaßt werden. Fritz Löffler bezeichnet die Befreiung der Stadt von den Bindungen der Stadtmauern als "die größte Strukturveränderung in der Geschichte der Stadt".


(47) Vgl. zu Entfestigungen in Deutschland: Christian Engeli, Stadterweiterungen in Deutschland im 19. Jahrhundert, in: Die Städte Mitteleuropas im 19. Jahrhundert, Linz/Donau 1983, S. 47-72.
(48) Zwei charakteristische Beispiele einer Umwandlung von Befestigungsanlagen in städtische Grünanlagen bei: Rudolf Wurzer, Die Gestaltung der deutschen Stadt im 19. Jahrhundert, in: Ludwig Grothe (Hrsg.), Die deutsche Stadt im 19. Jahrhundert, München 1974, S. 10ff.