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5.4 Zusammenfassung
Am Schluß der vorliegenden Arbeit sollen die Ergebnisse vorangegangener Untersuchung
zusammengefaßt werden.
Wie gezeigt wurde, bemühten sich nach dem Abbruch der Dresdner Festungsanlagen 1809 - 1830
staatliche und städtische Planungsstellen um eine neue städtebauliche Ordnung, die der alten
barocken Kernstadt mit geschlossenen Häuserfronten ein radikal neues Stadtbaukonzept
entgegensetzte.
Eine offene Bebauungsweise mit freistehenden Villen und Landhäusern sollte bewußt die
landschaftliche Schönheit des Elbtales in einem romantisch geprägten Städtebau mit einbeziehen.
In den Bebauungsplänen der Demolierungs-Kommission unter Leitung des Hofbaumeisters Thormeyer
für das freigewordene Fortifikationsgelände wurde zuerst die neue städtebauliche Ordnung
pavillionartigen Bauens mit ländlichem Gartencharakter umgesetzt. Diese für Dresden typische
offene Bebauungsweise wurde mit einigen Abweichungen bis zur beginnenden Gründerzeit
beibehalten. Sie trug dazu bei, daß die Stadt unter den deutschen Großstädten die
umfangreichsten Flächen aufgelockerter Bebauung besaß.
Mit verstärkt einsetzender Industrialisierung und damit verbundenem hohem Bevölkerungsanstieg
mußte das Prinzip der Aufteilung des Baulandes in großzügige Parzellen für Einzelhäuser
vorerst aufgegeben werden. Stattdessen erfolgte bis zur Jahrhundertwende eine intensivere
Ausnutzung durch Massenwohnungsbau in geschlossener Bauweise.
Die entstandene "Villenstadt" bildete unter den Großstädten Deutschlands bis zum Zweiten
Weltkrieg eine seltene Ausnahme. Durch eine besondere soziologische Struktur, bestehend aus
höherem Beamtentum, Offizieren, vermögenden Ausländern und Pensionären, und einen hohen
künstlerischen Anspruch der hier wirkenden Architekten konnte sich eine ästhetisch
anspruchsvolle Stadt bilden.
Die Besonderheit Dresdens im 19. Jahrhundert lag vor allem daran, daß die konzentrierte,
dicht bebaute Innenstadt von aufgelockerten, durchgrünen Stadtteilen umgeben war. Diesem
hohem Grünanteil in den Stadterweiterungsgebieten ist es zuzuschreiben, daß die Stadt als
große Parkstadt galt. Neben der natürlich schönen Lage am geschwungenen Elbfluß prägten die
Vielzahl adliger und bürgerlicher Stadtparks sowie die unzähligen zu den Villen und
Landhäusern dazugehörenden Vorgärten dieses Bild.
Durch bewußte planerische Maßgaben konnte sich die seltene Einheit von urbaner Stadt und
Naturraum gegen die zunehmenden großstädtischen Herausforderungen, wie z.B. hohes
Bevölkerungswachstum oder Verkehrs- und Industrieanlagen, behaupten. Trotz der zum Teil
erheblichen Zurückdrängung des Grünanteils im letzten Drittel des 19. Jahrhundert gelang es,
Dresden als saubere, grüne Stadt zu erhalten.
Die Ordnungsprinzipien des neuen Stadtbaukonzeptes zu Beginn des 19. Jahrhunderts wurden 1827
in der Dresdner Bauordnung manifestiert. Diese neue Baugesetzgebung hob sich gegenüber anderen
Bauordnungen der Zeit durch eine besondere Strenge hervor, die in ihrer Entstehungszeit z.T.
als Willkür und Diktat bezeichnet wurde. Durch die rigiden Vorgaben konnte zwar eine gewisse
Schematisierung nicht vermieden werden, aber sie gewährleisteten in den neuen Stadtteilen eine
ruhige, überschaubare Gliederung und einheitliche Gestaltungsprinzipien. Durch Fortsetzung der
bereits im Barock vorgenommenen Zonung des Stadtraumes in differenzierte Gebäudehöhen wurden
vorhandene Traditionen respektiert und der landschaftliche Bezugsrahmen geschützt.
Die ab 1831 städtische Baupolizei vermochte, mit einer harten juristischen Handhabe ausgerüstet,
nach anfänglichen organisatorischen Schwächen die neue Dresdner Bauordnung durchzusetzen.
Die Begehrlichkeiten der Grundstückseigentümer nach maximaler Auslastung ihres Bodens und zu
individueller Gestaltung konnten durch die oft kompromißlose Haltung der Baupolizei
zurückgedrängt werden. So wurde eine Anarchie des Bauens weitestgehend ausgeschaltet.
Durch das wirksame Vorgehen der Baupolizei und der neuen Baugesetzgebung gelang es,
Stadterweiterungen nicht dem Selbstlauf zu überlassen, sondern mit vorgegebenen
Rahmenbedingungen auf die Stadtentwicklung Einfluß zu nehmen. Auf diese Weise gab es in der
Residenzstadt statt unkontrolliertem, wildem Wachstum eine geregelte und geordnete Erschließung
des Umlandes. Von einer planmäßigen, streng systematischen Stadtausdehnung kann allerdings nicht
gesprochen werden.
Ein übergeordneter Generalbebauungsplan, der die städtebaulichen Einzelaspekte komplex erfaßte,
kam erst in den Jahren 1858 - 1862 durch den Stadtbaukommissar Bothen zustande. Dieser
Generalbauplan stellt einen Höhepunkt städtebaulicher Planungstätigkeit im 19. Jahrhundert
dar, weil er in vielerlei Hinsicht bereits dem wissenschaftlichen Städtebau, welcher sich in
Deutschland erst ab den 70er Jahren des 19. Jahrhunderts auszubilden begann, vorausgriff.
Hervorzuheben ist u.a. die Einteilung des Stadtgebietes in verschiedene Bebauungszonen.
Obwohl der Generalbauplan nicht zum verbindlichen Ortsgesetz erklärt wurde, ermöglichte er
eine generelle, langfristige Perspektive des Stadtgebietes.
In Bothens Stadtgliederungplan wurde ein Verkehrssystem radialer und konzentrischer Erschließung
des Stadtgebietes festgelegt.
Dieser Plan ließ sich jedoch meist infolge komplizierter Eigentumsrechte und hoher
Entschädigungssummen bei Enteignung nur in Teilen durchsetzen. Während in den
Stadterweiterunsgebieten in den meisten Fällen neue Straßen in großzügiger Breite angelegt
wurden, gelang es weder für die innere noch für die äußere Ringstraße die notwendige und
angemessene Breite herzustellen.
Neben dem Stadtrat besaß die staatliche Oberbehörde, welche sich in den bürgerlichen Unruhen
um 1830/31 gebildet hatte, einen nicht unerheblichen Einfluß auf die Entwicklung der Stadt.
Ihr Anliegen galt besonders, den repräsentativen Charakter der sächsischen Hauptstadt zu
erhalten. Dieses Bemühen wurde allerdings beeinträchtigt durch die massiv einsetzende
Industrialisierung Sachsens, die auch Dresden ergriff. Der Konflikt wurde weitestgehend
entschärft, indem größere Industrieunternehmen mit rauch- und lärmbelästigender Produktion
nach anfänglicher starker Zurückdrängung in besondere Industriedistrikte fern der Innenstadt
verwiesen und gebündelt wurden. Gegenüber anderen deutschen Hauptstädten des 19. Jahrhunderts,
z.B. in Berlin, wurde in Dresden ganz bewußt versucht, Einfluß auf die Industriestandorte zu
nehmen. Zudem zeigten sächsische Unternehmer wegen der mangelnden Rohstoffe kaum Neigung,
Schwerindustrie im Raum Dresden zu errichten.
Zuerst in Einzelregulativen, später mit der generellen Regelung des Ortsstatutes von 1878
versuchten Oberbehörde und Rat, Arbeits- und Wohnviertel strikt voneinander zu trennen. Mit
zunehmender Industrialisierung auf der Basis von Dampfmaschinen konnte allerdings bereits vor
der Gründerzeit diese Trennung nicht immer konsequent durchgehalten werden, vor allem in Bezug
auf Klein- und Mittelbetriebe.
Mit dem Bau der Eisenbahnlinien und der drei Dresdner Bahnhöfe ist Mitte des 19. Jahrhunderts
ein weiteres wichtiges stadtformendes Strukturelement der werdenden Großstadt festgelegt
worden. Die Eisenbahntrasse wurde bewußt nicht bis in die barocke Innenstadt, sondern im weiten
Bogen südöstlich um die Stadt herumgeführt. Diese Trassenführung außerhalb der Akzisemauer
verschonte dabei das Stadtzentrum von lärm- und schmutzbelastenden Faktoren. Wenn auch durch
die ebenerdige Trasse eine Isolierung verschiedener Stadtgebiete zur Innenstadt bis in die
90er Jahre nicht zu vermeiden war, kann man die Verknüpfung der Erfordernisse des
Eisenbahnverkehrs mit den Bedürfnissen der Stadt, die den Schutz der landschaftlichen
Schönheit verteidigte, als akzeptabel bezeichnen. Schwerwiegende Gefährdungen, die dem
Stadtkörper hätten zugefügt werden können, wie das Anlegen eines kompletten Eisenbahnringes
oder die unsensible Standortvorschläge für einen Zentralbahnhof konnten erfolgreich abgewendet
werden.
Ab den siebziger Jahren des 19. Jahrhunderts beschleunigten sich auch in Dresden die
Wachstumsprozesse derart, daß sich der Charakter der Stadt in wenigen Jahrzehnten z.T.
erheblich veränderte. Der enorm gestiegene Verwaltungsaufwand für eine Bevölkerung, die
1900 mehr als 400 000 Menschen betrug, erforderte Bauten mit einem hohen Platzanspruch. So
entstanden von der Gründerzeit bis zum I. Weltkrieg die überdimensionierten Ministerialbauten
am Neustädter Elbufer, das Neue Rathaus am Ring oder andere maßstabsprengende Gebäude wie die
Kunstakademie auf der Brühlschen Terrasse. Bis zur Zerstörung Dresdens 1945 wurde allerdings mit
Höhenbegrenzungen und anderen Baugesetzen weiterhin auf den landschaftlichen Bezugsrahmen
Rücksicht genommen und auf diese Weise die Eigenart der Stadt bewahrt.
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